Ozeane voller Plastikmüll - Ist unsere Welt noch zu retten?
Die Wissenschaftlerin Prof. Dr. Gilian Gerke (2.v.r.) leitet am Fachbereich Wasser, Umwelt, Bau und Sicherheit den Studiengang Recycling und Entsorgungsmanagement und setzt sich auch über die Campusgrenzen hinaus für einen nachhaltigen Umgang mit Ressourcen ein. Gemeinsam mit dem NBU engagiert sie sich im Projekt „Plastic Ocean“ für den Schutz und Erhalt der Meere. Zusammen mit dem Doktoranden Lars Tegtmeier und der studentischen Hilfskraft Max Gabriel gibt sie im SCIENCE TALK mit Vera Reinicke und Simeon Laux anlässlich der Langen Nacht der Wissenschaft in Magdeburg einen kurzweiligen Einblick in ihre Forschung (Foto: Catherina Stuckmann).
Vera: Frau Gerke, womit beschäftigen Sie sich hier am Fachbereich konkret in Bezug auf Nachhaltigkeit und Klimaschutz?
Prof. Dr. Gilian Gerke: Wir befassen uns mit Kunstoffrecycling, genauer gesagt mit der Frage, was man machen kann, um langlebige wiederverwertbare Produkte aus dem Material Kunststoff zu entwickeln.
Vera: Inwiefern ist denn die Politik noch stärker gefragt, welche Weichen müssten gestellt werden, damit es besser wird?
Prof. Dr. Gilian Gerke: Ich bin überhaupt keine Politikerin. Genau das überlasse ich eigentlich immer den anderen. Eigentlich muss mehr Druck kommen, also Gesetze, Kontrollen, das ist immer das Wichtigste, was zu einer guten Abfallwirtschaft dazu gehört. Zum Beispiel haben wir jetzt gerade, seit 2019 ein Verpackungsgesetz mit höheren Recycling-Quoten bekommen. Das spielt uns in die Hand und ist genau der richtige Weg. Das Material sollte nicht nur einen thermischen Weg gehen, sondern muss auch verwertet werden und dafür ist die Gesetzgebung da.
Vera: Hätten Sie denn Tipps für uns, was man im Alltag besser machen könnte in Bezug auf den Plastikverbrauch?
Prof. Dr. Gilian Gerke: Auf jeden Fall aufmerksam sein. Es sollten möglichst wenig Kunststoffe gekauft werden. Viele Plastiktüten kann man sich sparen, wenn man eine Tasche dabei hat oder zum losen Obst und Gemüse statt dem Eingepackten greift. Da kann man täglich sehr viel tun.
Vera: Welche konkreten Lösungsansätze werden hier an der Hochschule erforscht und entwickelt?
Prof. Dr. Gilian Gerke: Wir beschäftigen uns mit dem Ende der Wertstoffkette und zwar damit, wie besser und in höheren Qualitäten sortiert und recycelt werden kann, damit wir nicht von einem Down-, sondern von einem Upcycling sprechen.
Simeon: Um einen aktuellen Bezug herzustellen: „Fridays for future“ ist gerade in aller Munde und geht durch die Medien. Gestern fand ganz aktuell ein globaler Klimastreik statt. Auch hier in Magdeburg wurde vor dem Rathaus gestreikt. Inwiefern ist denn diese zumindest teilweise zunehmende Sensibilität für Nachhaltigkeit und einen besseren Umgang mit der Umwelt ein guter Schritt von der Wegwerfgesellschaft wegzukommen und im Kollektiv nachhaltiger zu agieren?
Max: Ich glaube auf jeden Fall, dass eine Sensibilisierung der Gesellschaft bei dem Thema hilft. Es hilft Leute darauf aufmerksam zu machen, damit weniger Abfälle produziert werden. Denn das sind die besten Abfälle. Ich glaube, dass eine zunehmende Sensibilisierung durch solche Demonstrationen geschehen kann.
Simeon: Wie sehen Sie das, Frau Gerke? Würden Sie sagen, das ist nur ein Tropfen auf dem heißen Stein oder kann das tatsächlich zu einem Umdenken in der Gesellschaft führen?
Prof. Dr. Gilian Gerke: Ich finde es toll, dass endlich wieder Leute auf die Straße gehen. Ich kenne das aus meiner Schulzeit, da sind die Leute auf die Straße gegangen und auch wir, als Schüler und Schülerinnen und dann war ganz lange nichts und deshalb finde ich es gut, dass endlich wieder etwas passiert. Dass junge Leute sagen: „Ihr da oben, was macht ihr da eigentlich?“ und, dass wir mitgerissen werden. Das ist ein kleiner Schritt, aber ein ganz wichtiger. Das sieht man auch bei der Europawahl. Was ist wichtig? Die Umwelt ist uns wichtig, denn wir brauchen sie für die Zukunft, wenn wir weiter gut leben wollen.
Simeon: Lars, du bist Doktorand am Fachbereich. Kannst du uns ein paar Worte zu dem sagen, womit du dich im Rahmen deiner Doktorarbeit beschäftigst? Und was hat das Gesamtthema Nachhaltigkeit dabei für einen Stellenwert?
Lars: In meiner Promotion geht es um Langzeitversuche von Kunststoff in Gewässern. Das hat also auch einem direkten Bezug zur Umwelt. Dabei werden Kunststoffproben sowohl bei uns im Labor in Aquarien, als auch in der Ostsee und in der Elbe untersucht und geschaut welche thermischen und mechanischen Einflüsse auf sie wirken und ob das Material danach noch recycelt werden kann. Um wieder den Bogen zur Umwelt zu spannen: Es gibt viele Aktionen, bei denen Abfälle aus dem Meer eingesammelt werden. Dabei stellt sich aber die Frage, was danach mit den Materialien passieren soll. In meiner Promotion untersuche ich, ob diese Materialien überhaupt noch recycelt werden können, also ob es noch einen Sinn hat diese werkstofflich zu verarbeiten.
Simeon: Klingt auf jeden Fall nach einem sehr spannenden Projekt und du hast es gerade schon ein bisschen vorweggenommen. Heute Abend findet hier ein Streaming vom Film „A Plastic Ocean“ statt. Danach schließt eine Podiumsdiskussion an. Es gibt Initiativen wie „The Ocean Cleanup“ zur Säuberung der Meere. Wie realistisch ist das in den nächsten Jahren?
Lars: Bei der Frage, ob das realistisch ist damit die Weltmeere zu reinigen bin ich immer leicht pessimistisch. Ich glaube nicht, dass das so viel ausmachen wird. Letztendlich tragen wir täglich so viel Abfall in unsere Umwelt ein und damit auch in die Meere, dass wir da niemals gegen ankommen werden. Es ist eine schöne Aktion, es passiert etwas und man kann aktiv werden, allerdings sehe ich das als Tropfen auf dem heißen Stein. Es rüttelt die Leute allerdings wach und schafft ein Bewusstsein. Und wenn sie irgendwann verstehen, dass der Abfall nicht in die Umwelt und nicht ins Meer gehört, dann ist das schon ein sehr großer Schritt, den wir gemacht haben, um unsere Meere letzten Endes vom Abfall zu befreien.
Simeon: Aber es kann dann wahrscheinlich nur ein Teil oder nur eine Möglichkeit von vielen Optionen sein, um dagegen langfristig anzukämpfen. Max, du bist als wissenschaftliche Hilfskraft tätig. Was machst du denn konkret hier am Fachbereich?
Max: Ich unterstütze Frau Gerke und Lars Tegtmeier bei ihrer Arbeit. Das heißt ich vermesse zum Beispiel im Labor Proben oder übernehme Recherchearbeiten für die Hochschule. Bei Projekten wie „fishing for litter“ werden auch die Hiwis eingebunden, um dann in Gruppen zum Beispiel an die Nordsee zu fahren und dort die gesammelten Proben zu begutachten und diese dann einer Datierung zu unterziehen.
Simeon: Kommen wir zu den Initiativen, die die Hochschule als Forschungsbetrieb beisteuern kann, um das Thema Nachhaltigkeit weiter voranzutreiben. Was ist da in den nächsten Jahren geplant oder wo mangelt es aktuell, wo man sich als wissenschaftliche Institution stärker mit einbringen könnte?
Prof. Dr. Gilian Gerke: Wir wollen im Bereich hochwertiges Recycling weitermachen. Und ganz wichtig auch im internationalen Bereich. Der größte Eintrag an Abfällen in die Weltmeere kommt aus Asien. Dort möchten wir Länder dabei unterstützen abfallwirtschaftliche Systeme aufzubauen, die das selbst nicht stemmen könnten. Da sind Kuba und Indonesien nur zwei Beispiele, wo wir tätig sind. Weiterhin arbeiten wir in zwei Pfeilern der Umweltbildung. Wir wollen Kinder, Jugendliche und Erwachsene bilden und ihnen erklären was es heißt, die Umwelt zu schützen und ihnen beibringen, wie wir mit unseren Abfällen umgehen.
Vera: Wir haben gesehen, dass hier vorne Joghurtbecher als Lampenschirm für eine Lichterkette dienen. Das finden wir sehr interessant, dass man aus Dingen, die man eigentlich entsorgt doch noch etwas Schönes machen kann. Hätten Sie vielleicht noch andere Tipps für den Alltag oder Beispiele, wie man Müll weiter verwerten kann?
Prof. Dr. Gilian Gerke: Da gibt es ganz viele Ansätze. Aus alten Tetrapacks basteln wir zum Beispiel mit Kindern Portemonnaies. Oder eine unserer Studentinnen hat aus alten Gläsern ein Gewürzregal gebaut. Eigentlich kann man aus allem irgendetwas machen, man muss nur ein bisschen Fantasie haben.
Simeon: Das Motto der Langen Nacht der Wissenschaft ist „Wie wollen wir morgen leben?“. Uns würde es interessieren, welche Vision ihr vom zukünftigen Leben habt.
Lars: Persönlich würde ich mich nach der Promotion gerne bei einem großen Kunststoffrecycler sehen. Ich möchte das Wissen, das ich hier gesammelt habe gerne umsetzen und einen Beitrag leisten das Recyceln zu verbessern. Auf der anderen Seite würde ich es gerne sehen, wenn wir in der Zukunft weniger Verpackungsabfälle hätten und wenn Hersteller Produkte entwickeln, die wieder recycelt werden können.
Prof. Dr. Gilian Gerke: Einmal bin ich schonmal ziemlich im Leben angekommen. Ich habe den tollsten Beruf, ich arbeite mit jungen Menschen und ich arbeite mit dem tollsten Material. Von daher bin ich ziemlich zufrieden. Und wenn ich nicht mehr arbeite, dann möchte ich gerne ein kleines Haus haben, mit Blick auf das Meer, mit einem Kräutergarten und die Weise, mit grauen Haaren im Dorf sein und mein Wissen weitergeben.
Max: Persönlich möchte gern noch innerhalb meines Studiums ein Auslandssemester machen und könnte mir gut vorstellen nach dem Studium für ein paar Jahre im Ausland zu arbeiten. Gerade in Ländern, in denen die Abfallentsorgungssysteme noch nicht so weit entwickelt sind wie hier, weil man dort mit seiner Arbeit noch einen sehr viel größeren Einfluss hat, als hier in Deutschland, wo das System schon sehr viel weiterentwickelt ist. Darüber hinaus würde ich mir wünschen, dass es eine allgemeine Sensibilisierung der Gesellschaft zu diesem Thema gibt. Wir haben einen Einfluss auf die Umwelt und sollten versuchen sie für die kommenden Generationen zu erhalten. Deswegen hoffe ich, dass wir uns von der Wegwerfgesellschaft entfernen.
Simeon: Das ist ein schönes Schlusswort für den ersten SCIENCE TALK. Vielen Dank Ihnen, Frau Gerke, vielen Dank Lars und Max, für die Einblicke heute Abend.
25. Mai 2019
SCIENCE TALK im Rahmen der Langen Nacht der Wissenschaft in der Rohstoffwerkstatt des Fachbereichs Wasser, Umwelt, Bau und Sicherheit der Hochschule Magdeburg-Stendal in Magdeburg